Wir schreiben und lesen oft Artikel darüber, wie wir mit Situationen, Momenten und Phasen unseres Lebens umgehen können, in denen es uns extrem schlecht geht. Ich habe im Moment allerdings eine Phase – eine vergleichsweise unglaublich lange Phase – in der es mir sehr gut geht. Vor allem dafür, dass sie den kompletten Winter überdauert hat, der bei mir immer eine unfassbar schwere Zeit ist – die letzten Winter waren die Hölle. Emotionale Stabilität war mir so fern in den vergangenen Jahren. Selbsthassgedanken, Abwärtsspiralen, emotionale Zusammenbrüche und Winterdepressionen haben mich immer wieder an den Rand der Verzweiflung gebracht.
Ich war seit Jahren nicht mehr emotional und psychisch so stabil wie das letzte halbe Jahr über. Das kann drei Gründe haben – vermutlich ist es ein Zusammenspiel aus allen Dreien: 1. Ich habe angefangen den Winter über täglich Vitamin-D Tropfen einzunehmen. (Kann ich übrigens sehr empfehlen!) 2. Ich hatte ein großartiges sechsmonatiges Praktikum, welches mir super viel Spaß gemacht hab, weswegen ich allerdings auch einfach so viel arbeiten musste, dass ich kaum Zeit zum Grübeln und in ein emotionales Tief fallen hatte. 3. Ich habe meine Therapie beendet und im letzten Jahr extrem viel an mir gearbeitet und Fortschritte gemacht.
Es ist schwer gute Phasen zu genießen
Nun ist es allerdings so, dass es mir an manchen Tagen super schwer fällt diese gute Phase zu genießen, weil sie mir unglaubliche Angst einjagt und mich überfordert. Ich vertraue diesem Gefühl nicht, weil es so weit entfernt ist von dem was ich gewohnt bin. So absurd das auch klingen mag, manchmal vermisse ich sie sogar ein wenig – die Traurigkeit, die negativen Gedanken und Gefühle – so sehr ich sie auch verabscheue – sie sind mir einfach viel zu vertraut.
Versteht mich nicht falsch, ich bin unendlich dankbar, dass es mir gerade so gut geht und ich finde es selbst krass, welche Gedanken das in mir auslöst. Ich will diese Traurigkeit nicht vermissen und ich glaube, man kann das auch nur nachvollziehen, wenn man dieses Gefühl kennt. Spätestens wenn es mir wieder mal schlecht gehen sollte, werde ich mir wünschen stabil zu sein. Deswegen versuche ich gerade alles, dankbar und zufrieden mit dem Jetzt-Zustand zu sein.
Aber oft überfällt mich dann auch die Angst: Wie wird es nach dem Praktikum? Wenn ich wieder mehr Zeit habe? Wenn ich wieder Zeit für Langeweile habe? Wenn ich wieder feststelle, dass ich kaum Freunde und keine Hobbys habe? Wie wird es nächsten Winter, wenn ich auch noch meine Bachelorarbeit schreibe, Stress haben und diesem Druck ausgesetzt sein werde? Wie tief werde ich fallen, so hoch wie ich gerade fliege? Bei jedem Tag, jedem Abend, jedem Moment, an dem es mir mal nicht so gut geht, überfällt mich die Angst, dass es eben nicht nur ein schlechter Tag, Abend oder Moment bleibt.
Es ist ok wie du dich fühlst
Vielleicht kennst du solche Gefühle und Gedanken. Erst mal: es ist ok, dass du so fühlst. Wenn etwas Gewohntes wegfällt, egal wie negativ es ist, ist man natürlich erst mal misstrauisch. Vor allem, wenn es durch etwas Positives ersetzt wird. Dass man diesem Gefühl nicht sofort vertraut, ist doch ganz klar. Ich finde es genauso wichtig darüber zu reden, wie man mit solchen Gedanken und Gefühlen in guten Phasen umgeht.
Wenn es einem schlecht geht, hat man wenig zu verlieren. Wenn man in einer guten Phase ist, schnuppert man an einem Lebensgefühl, dass man sich immer wünscht. Man hat Angst sich an dieses Gefühl zu gewöhnen, denn es kann theoretisch von heute auf morgen wieder verschwinden. Wenn man anfängt sich an das schöne und gute Lebensgefühl zu gewöhnen, wird man es umso mehr vermissen, wenn die Traurigkeit wieder zuschlägt.
Es gehört Mut dazu Zufriedenheit zu genießen, ohne Hintergedanken zu haben, ohne Angst zu haben. Wir dürfen lernen diese guten Gefühle im Moment zu genießen und nicht aus dem Nichts Angst-, Panik- und Selbsthassgedanken hervorzurufen, nur weil das bisher eben der Normalzustand war. Wir haben es verdient, dass es uns gut geht, jeder hat das verdient und wenn Du gerade das Glück hast, eine gute Phase zu haben, dann genieße es, sammle Kraft und tanke auf, falls wieder ein Tief kommen sollte.
Gute Zeiten genießen, heißt auf sich achten
Für mich konkret bedeutet das, dass ich mir immer wieder bewusst erlaube glücklich zu sein und mir zuspreche, dass ich das verdient habe. Es bedeutet auch, dass ich nicht von mir selbst verlange, dass ich diesem guten Lebensgefühl von heute auf morgen vertrauen kann. Dieses Misstrauen ist in Ordnung, es dient nur zum Selbstschutz. Gute Zeiten zu genießen, heißt für mich, dass ich weiterhin auf mich achte, auf mich aufpasse und regelmäßig Dinge mache, die mir gut tun. Ich lebe weiterhin achtsam, mache Yoga, versuche mich gesund zu ernähren, gehe täglich spazieren, reflektiere mich und achte auf meine Gedanken und Gefühle. Es bedeutet aber auch, dass jetzt wo ich weiß, wie gut das Leben sein kann, ich mir dieses Lebensgefühl nicht mehr so schnell nehmen lassen werde. Ich werde gegen die Traurigkeit, gegen den Selbsthass und gegen die Langeweile ankämpfen und ich werde für mein Glück kämpfen.
DU hast es verdient glücklich und zufrieden zu sein. Habe den Mut und genieße es. Hab keine Angst vor dem Fall. Vielleicht wird er gar nicht kommen und wenn er kommen wird, dann wirst du auch das schaffen. In den guten Phasen können wir Kraft und Mut sammeln, Hoffnung und Liebe, wir können unser Herz mit Lebensfreude, mit Wärme und Licht füllen lassen und so die schweren Zeiten überstehen. Hab keine Angst, sei mutig und lebe.
Wenn du gerade selbst mit Angst, Depressionen oder anderen psychischen Herausforderungen kämpfst, haben wir hier für dich die ersten Hilfemöglichkeiten aufgeschrieben und auch einen Brief an dich geschrieben. DU kannst auch andere ermutigen, erzähle Deine Geschichte! Wir freuen uns auch riesig über deine Nachricht oder deinen Kommentar! Wenn dir der Blog gefallen hat, kannst du ihn natürlich gerne liken, teilen und uns auf Facebook und Instagram folgen @theoceaninyourmind.