Ich bin 16 Jahre alt und gehe in die 10. Klasse. Ich reite seit ich fünf Jahre alt bin und besitze selbst zwei Pferde. Tiere geben mir so viel Kraft! Seit kurzem habe ich auch das Tauchen für mich entdeckt, da ich da einfach komplett abschalte. Außerdem zeichne und male ich sehr gerne, da ich so meine Gefühle zum Ausdruck bringen kann.
Missbrauch
Meine Geschichte beginnt im Alter von 3,5 Jahren: Ich war mit dem Kindergarten auf einem Spielplatz, als mich plötzlich eine kalte Hand an der Schulter packte und in ein Auto zerrte. Dort wurde ich gefesselt und irgendwo hin gefahren. Ich weiß noch, dass ich die ganze Fahrt über an meine Familie gedacht habe. Als wir dann hielten, öffneten zwei Männer die Tür. Diese zwei Männer missbrauchten mich von da an ein halbes Jahr lang regelmäßig. Zudem schossen sie auch sehr viele Fotos von mir. Nach knapp zwei Monaten kamen auch andere Männer dazu. Vor jedem weiteren Übergriff machten die Männer mich mit Gewalt gefügig. Wie genau ich da raus gekommen bin, weiß ich nicht mehr genau. Ich weiß nur noch, dass mich eine Joggerin am Wegrand gefunden hat. Sie hat dann die Polizei gerufen. Der eine Täter, der sich in der Nähe aufhielt, wurde gefasst, der andere hat sich noch am selben Abend das Leben genommen, bevor die Polizei ihn finden konnte.
Der Missbrauch geht weiter
Damals mit meinen vier Jahren verstand ich nicht was passiert war. Mir ging es erst einmal recht gut, da ich das Geschehene verdrängt hatte. Als ich in die 2. Klasse kam, bekamen wir einen neuen Lehrer. Dieser begann mich mit samt meiner Klasse und seinen Kollegen zu mobben: ich “durfte“ meine Pause mit putzen und aufräumen verbringen. Meine Lehrer schrien mich an und warfen Gegenstände nach mir. Nach knapp drei Monaten in der 2. Klasse wurde ich von meinem Klassenlehrer mehrmals sexuell missbraucht. Was so richtig geschah, begriff ich allerdings erst in der 3. Klasse. Der Missbrauch meines Lehrers führte dazu, dass ich angefangen habe, mich selbst zu verletzten. Auf meinen ersten Suizidversuch in der 3. Klasse folgten noch knapp sieben weitere. Außerdem entwickelte ich eine Essstörung, schwere Depression, Posttraumatische Belastungsstörungen, eine Sozialphobie, bekam Panikattacken, Angstzustände, hatte dissoziative Zustände und Verdacht auf eine Borderline-Persönlichkeitsstörung.
Ich kämpfe für mein Glück
Mittlerweile habe ich es geschafft meine Magersucht fast vollständig in den Griff zu bekommen. Ich weiß nicht mehr genau, wie ich aus diesem Albtraum erwacht bin, doch an dem Tag, als ich meine alte Schule für immer verlies und wusste, dass mein Lehrer mir von nun an nichts mehr tun würde, war es als würden meine Augen geöffnet. Er hatte bestimmt, was ich essen sollte – das Einzige, was ich bestimmen konnte, war der Verzicht. Doch als ich die Schule verlassen hatte, wusste ich, dass ich so nicht leben will. Also bin ich zu meiner Mutter und meinte: „Ich habe Hunger!“ Ihr stiegen die Tränen vor Freude in die Augen. Ich weiß noch, dass sie mir einen kleinen Salat gemacht hat, damit ich es essen konnte. Und von dem Tag an habe ich mit meiner Mutter und meinem Vater angefangen mich langsam wieder ans Essen zu gewöhnen. Es gab viele Rückschläge und doch habe ich es geschafft bis zur Hälfte der 6. Klasse fast komplett normal essen zu können. Diese Zeit ist noch nicht vorbei und ich muss mich doch noch oft zum Essen zwingen, aber ich sage mir immer: „Ich will nie wieder in seinem Gefängnis leben!“
Die Therapie hilft mir
Außerdem lasse ich mich nicht mehr so schnell triggern. Ich habe mit meinen Eltern über alles gesprochen, was ein großer Schritt war, da unser Verhältnis nicht das Beste ist. Mittlerweile mache ich eine Therapie. Zur Therapie zu gehen war meine Entscheidung. Ich habe irgendwann gemerkt, dass ich es nicht mehr allein schaffe und dass sich etwas ändern muss! Also habe ich mir eine Therapeutin gesucht und nach knapp einem Jahr hatte sie auch mein volles Vertrauen! Als das so weit war, sind wir an die Trauma-Therapie gegangen. Es ist anstrengend, traurig und hart, aber es hilft. Wir gehen die verschiedenen Bausteine meiner Geschichte immer wieder langsam und in Teilen durch, sodass ich jedes Erlebnis einzeln verarbeiten kann. Manchmal dauert es lange, aber es funktioniert. Mittlerweile bin ich soweit, dass ich einigermaßen offen darüber reden kann, ohne mich gleich komplett zu verspannen. Für mich sind das riesige Schritte. Ich kann wirklich jedem, der merkt, dass er allein nicht mehr weiter kommt, nur empfehlen, eine Therapie zu machen. Es hilft wirklich und ich bin ein sehr skeptischer Mensch.
Gebt nicht auf!
Ich weiß wie schwer es ist, sich wieder zurück ins Leben zu kämpfen. Aber aufgeben ist KEINE Option! Denn wenn man aufgibt, weiß man nicht, ob man es vielleicht morgen geschafft hätte! Mein Motto: Leben statt Überleben! Never give up and fight for your life!!!
Wenn du gerade mit Angst, Depressionen oder anderen psychischen Herausforderungen kämpfst, haben wir hier für dich die ersten Hilfemöglichkeiten aufgeschrieben und auch einen Brief an dich geschrieben. DU kannst auch andere ermutigen, erzähle Deine Geschichte! Wir freuen uns auch riesig über deine Nachricht oder deinen Kommentar! Wenn dir der Blog gefallen hat, kannst du ihn natürlich gerne liken, teilen und uns auf Facebook und Instagram folgen @theoceaninyourmind.