Marias Geschichte

Mein Name ist Maria, ich bin 20 Jahre jung & habe dieses Jahr mein Abitur bestanden. Ab September fange ich ein Freiwilliges Soziales Jahr in einer Schule im sozialen Brennpunkt an. Nach dem Jahr möchte ich gerne soziale Arbeit studieren, um Menschen in jeglichen Situationen unter die Arme greifen zu können.

Ich bin die Tochter von einer deutschen Mutter & einem pakistanischen Vater. Als ich 2 Jahre alt war, trennten sich meine Eltern. Ich habe meinen Vater nie wieder gesehen. Meine Mutter erzählte mir, dass er sie und auch mich schlug, aggressiv gewesen sei und nie ein guter Vater war.

 

Meine Mutter entwickelte eine Psychose

Als ich 10 Jahre alt war fing eine seltsame Zeit an. Ich erinnere mich kaum noch. Mein Therapeut meinte das sei normal, da man diese Zeit gerne verdrängt. Jedenfalls machte meine Mutter nicht mehr sauber, sie redete kaum noch mit mir und wenn, dann sagte sie nur wirres Zeug. Sie war der festen Überzeugung wir würden überwacht & sie wäre nirgendwo mehr sicher.

Da ich ja erst 10 Jahre alt war, habe ich ihren Wahnsinn zunächst geglaubt. Doch es hat nicht lange gedauert bis ich gemerkt habe, dass da irgendwas nicht richtig ist. Ich rief ihre beste Freundin, ihren Chef und andere Freunde an, um die Situation zu schildern und um Hilfe zu bitten. Es hat alles sehr lange gedauert bis die Hilfe größere Institutionen erreicht hatte, doch die Mühe war es wert. Meine Mutter hat eine Psychose und musste schnellstmöglich in eine geschlossene Klinik.

 

Von einer „Familie“ zur nächsten

Da ich nun ganz alleine, ohne Papa und ohne Mama da stand, musste ich vorübergehend in eine Pflegefamilie. Ich fühlte mich sehr wohl dort, doch nach drei Monaten wurde meine Mutter bereits wieder entlassen. Nach der Entlassung war sie wie verändert. Die Pillen stellten sie ruhig, ihre Aufmerksamkeit war wie weggeblasen. Ich bekam keine Liebe von zuhause und Regeln gab es auch keine mehr. Ich musste mich eher um meine Mutter kümmern, als sie sich um mich.

Es hat nichtmal weitere 3 Monate gedauert bis sie ihre Pillen absetzte, und die Krankheit erneut ausbrach. Ich musste wieder in eine Pflegefamilie. Diesmal aber eine andere. Hier blieb ich jedoch nur einen Monat & konnte dann wieder zurück zu meiner Mutter.Doch wie das Schicksal es so will, kam es natürlich zu einem 3. Vorfall und alles wiederholte sich noch einmal.

 

Ich fühlte mich einsam und schwach

Meine Noten in der Schule waren so schlecht, dass die Lehrer mir rieten das Gymnasium zu verlassen. Sie hatten doch keine Ahnung wie schwer es für ein Kind in diesem Alter ist die Familie 4x im Jahr zu wechseln. Sich jedes Mal neu anzupassen und Sorgen um die Mutter im Unterricht zu vergessen zu versuchen.

Das Jugendamt war sehr besorgt und stellte eine Familien-Helferin ein, die mich und meine Mutter, betreute, als sie zurück aus der Klinik kam. Die Beziehung zwischen mir und meiner Mutter und unser Alltag hat durch das hin und her drastische Schäden mit sich gezogen, die bis heute anhalten. Während ihrer Psychose hat sie mich dauerhaft beleidigt, angeschrien, geschlagen und bloßgestellt. Es war niemand da dem ich mich anvertrauen konnte.

Nach einem halben Jahr Familienbetreuung riet das Amt mich von meiner Mutter wegzunehmen. Ich kam in eine Wohngruppe für psychisch labile Jugendliche. Das klang für mich wie die Hölle. Es gab Regeln ohne Ende. Eine 24h Betreuung für bis zu 8 Kinder.

Ich wechselte mit dem Einzug auch die Schule. Die Betreuer dort wurden für mich wie eine Art Mutter-Ersatz & ich hatte endlich jemanden, dem ich mich anvertrauen konnte. Schnell merkten die Betreuer, dass ich professionelle Hilfe brauchte. 

 

Selbstverletzung, Drogen, Alkohol

Selbstverletzung gehörte für mich schon seit dem Anfang der Krankheit meiner Mutter dazu. Ich habe mir die Schuld gegeben, weil sie sie mir gab. Ich war jung und naiv, ich hatte niemanden und alles schien gegen mich. Dieses Muster durchzog mein Leben bis heute.

Auf der Schule fand ich neue Freunde. Leider waren es die „coolen kids“. Es dauerte nicht lange bis kiffen, saufen und Extacy nichts besonderes mehr waren. Kiffen war Alltag, am Wochenende betranken wir uns und dazu gab es dann Speed, MDMA, Kokain oder andere Substanzen, die den Alltag vergessen lassen sollten.

Mittlerweile war ich 15. Ich war drogenabhängig, aber eine Einser Schülerin. Ich kam öfter in die Notklinik wegen Selbstmordversuchen, aber hatte trotzdem viele Freunde gefunden. Die Jahre vergingen und ich war mittlerweile der „alte Hase“ der Wohngruppe. Es kamen immer wieder neue Kinder, und alte gingen, doch ich blieb, weil ich ja nirgendwo anderes hin gehen konnte. Mit 16 bekam ich schließlich eine eigene Wohnung, in der ich bis heute alleine und ohne Betreuung leben haben darf.

 

Es geht mir gut

Meine Depressionen sind nicht unbedingt besser geworden, aber ich kenne sie und weiß wie ich damit umgehen muss. Der Drang mich selbst zu verletzen, ist vergangen. Ich habe meine Narben übertättowiert. Die Klinik besuche ich trotzdem manchmal noch, um meinen Psychiater zu sehen. Auch meinen Psychotherapeuten sehe ich einmal die Woche zum Gespräch. Ich habe sogar eine psychisch funktionelle Ergotherapie angefangen, weil ich sehr stressanfällig bin.

Medikamente nehme ich keine mehr. Heute geht es mir gut. Ich weiß wen ich ansprechen kann, wenn ich merke dass es schlechter wird. Ich meditiere viel und lese viele Bücher über Bewusstsein und Achtsamkeit, das hilft mir mein Leben zu geniessen und jeden Fehler als Erfolg anzusehen! Auch mein Abitur habe ich mit einem Schnitt von 2,2 bestanden. Mein Größter Erfolg ist es, trotz Einsamkeit, ohne Familie, ohne dauerhafte Ansprechpartner und ohne richtige Freunde, trotz Drogen, Depressionen und Selbstverletzung, mein Abitur geschafft zu haben.

 

Du kannst es auch schaffen!

Ich möchte allen sagen, die an ihrem Leben oder an Ihren Fähigkeiten auf Grund von Depressionen oder Einsamkeit zweifeln, dass sie es schaffen können! Man muss wirklich nur fest daran glauben, dann kann man alles möglich machen. Egal wie die Umstände sind, egal wie einsam man sich fühlt. Ich möchte sagen, dass Depressionen es zwar schwer machen, das Leben vernünftig anzugehen aber dass sie trotzdem kein Hindernis darstellen müssen.

Schwachheit ist auch nur ein Gefühl! Und wenn man mal einen Tag oder mehrere Tage nicht hoch kommt, und vor dem Gefühl der Gefühlslosigkeit davon rennen will, ist das kein Problem. Diese Tage gehören dann DIR. Es ist normal, dass Menschen mit Depressionen schnell kaputt sind und nicht so viel erledigen können wie gesunde Menschen. Aber wir sollten nie an unseren Träumen zweifeln!


Wenn du gerade selbst mit Angst, Depressionen oder anderen psychischen Herausforderungen kämpfst, haben wir hier einen Brief an dich geschrieben. DU kannst auch andere ermutigen, erzähle Deine Geschichte! Wir freuen uns auch riesig über deine Nachricht oder deinen Kommentar! Wenn dir der Blog gefallen hat, kannst du ihn natürlich gerne liken, teilen und uns auf Facebook und Instagram folgen @theoceaninyourmind.

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