Der erste Satz, den ich in meinem Leben gesprochen habe, lautete angeblich „Ich bin müde.“ Ich glaube, ich war ein unkompliziertes Kind: Sehr ruhig, zurückhaltend, nie in größere Probleme verwickelt …
Später, als ich in Therapie war, erzählte meine Mutter meiner Therapeutin, ich sei als Kind schon depressiv gewesen. Als Kind habe ich das nicht so empfunden (mal abgesehen von der Tatsache, dass mir der Begriff „depressiv“ als kleines Kind natürlich völlig unbekannt war). Erst, als wir in eine 100km entfernte Stadt gezogen sind – da war ich acht Jahre alt – fing ich allmählich an, melancholisch zu werden. Später, als ich in die fünfte Klasse kam, zog ich mich mehr und mehr in mich selbst zurück. In meiner Klasse fand starkes Mobbing statt. Daraus versuchte ich mich, mal mehr mal weniger erfolgreich, herauszuhalten.
Mit dreizehn fing ich an, mich brennend für das Thema Suizid zu interessieren (hatte zu dem Zeitpunkt aber selber noch keine Suizidgedanken).
Das, worum sich bei mir stets alles drehte, war das Thema „Existenz“, bzw. „Nichtexistenz“. Es gab Phasen, da hatte ich das sehr beängstigende Gefühl, einfach nicht zu existieren. Manchmal war es aber auch mein sehnlichster Wunsch, nicht zu existieren.
Mit fünfzehn fing ich an, mich selbst zu verletzen. Drei Jahre lang bemerkte das niemand, außer meinem damaligen Freund. Schließlich vertraute ich mich meiner Mutter an. Ich bekam langsam Angst vor mir selbst. Und ich wollte gesehen werden. Die Selbstverletzungen reichten mir als Beweis dafür, dass ich existierte, nicht aus. Ich schrieb meiner Mutter einen Brief – sprechen war noch nie meine Stärke – und bat sie um Hilfe bei der Suche nach einem Therapieplatz. Sie sah das alles recht nüchtern und war der Meinung, eine Selbsthilfegruppe wäre doch ausreichend. Ich glaube, sie hatte Angst, sich einzugestehen, dass ihre Tochter möglicherweise wirklich krank war. Letztlich konnte ich sie aber überzeugen, mit mir zum Arzt zu gehen.
Schließlich kam ich zu einer Psychotherapeutin. Natürlich hatte sie nicht sofort einen freien Therapieplatz für mich. Ich wurde weiter geschickt zu einer Psychiaterin. Diese verschrieb mir mein erstes Antidepressivum. Das machte zunächst alles nur schlimmer. Außerdem steckte ich mitten in den Vorbereitungen für das Abitur. Nebenbei fing ich an zu hungern.
Heute habe ich wenige Erinnerungen daran, wie ich mich zu dieser Zeit gefühlt habe.
Irgendwie brachte ich meine Abiturprüfungen hinter mich, bestand sogar – als Jahrgangsschlechteste – und kam schließlich einen Tag nach der letzten Prüfung in die Klinik. Zu dem Zeitpunkt war ich untergewichtig und verletzte mich fast täglich. In der Klinik fing ich an, mich zum ersten Mal überhaupt ansatzweise selbst zu spüren. Damit kam ich allerdings lange Zeit überhaupt nicht klar. Dem Klinikaufenthalt folgten weitere. An Ausbildung oder Studium war nicht zu denken. Schließlich verließ ich mein Elternhaus und zog in eine betreute Wohngruppe wo ich zwei Jahre lang lebte. Das war die härteste, aber auch hilfreichste Zeit meines Lebens. Nebenbei machte ich auch endlich eine ambulante Therapie und nahm weiter Antidepressiva.
Es dauerte weitere zwei Jahre bis ich anfing zu studieren. Ich fing an, meine Gefühle durch Bilder und Fotos auszudrücken. Nach und nach wurden meine Selbstverletzungen weniger und hörten schließlich ganz auf.
Heute – dreizehn Jahre nachdem ich das erste Mal beim Arzt war – kämpfe ich noch immer mit depressiven Phasen, aber es geht mir tausendmal besser als damals. Ich habe gelernt, gut zu mir zu sein. Es gibt einige Dinge, die mir dabei helfen: Autogenes Training und Meditation, eine Selbsthilfegruppe, bewusste Ernährung, viel viel Selbstfürsorge und Achtsamkeit, sowie mein Blog, mit dem ich Menschen ermutigen möchte, offener mit dem Thema „psychische Erkrankungen“ umzugehen.
Meine Botschaft: Egal, wie schlecht es dir gerade geht, hab Geduld mit dir und Vertrauen in dich selbst! Es ist viel mehr möglich, als du jetzt noch glaubst und es wird besser werden. Definitiv.
Friede bloggt selber auf diagnosedwithhapiness.de. Wenn dir der Blog gefallen hat, kannst du ihn natürlich gerne teilen!