Mein Kampf in die Freiheit – Esthers Geschichte

Ich bin 29 Jahre und Sozialarbeiterin. Seit 2,5 Jahren arbeite ich in einer Inobhutnahme. Dort nehmen wir Kinder und Jugendliche auf, welche selbst sehr viel Leid erfahren haben und aus ihren Familien genommen werden mussten. Ich liebe meinen Job und habe mich ganz bewusst dafür entschieden.

Meine Kindheit war ganz okay, auch wenn ich ohne Vater aufgewachsen bin. Aber ich hatte sehr fürsorgliche Großeltern, die mir viel Halt gaben. Als ich 11 wurde, mein Großvater verstarb und mein Stiefbruder geboren wurde, begann mein Alptraum. Meine Mutter fiel in schwere Depressionen, musste für einige Monate in eine Psychiatrie und erzählte mir immer wieder davon, dass sie sterben möchte.

Ihr Verhalten mir gegenüber wurde immer ambivalenter. Sie konnte in der einen Minute sehr liebevoll sein und in der nächsten schrie sie mich zusammen. Mit der Zeit bekam ich Angst vor ihr und ich hasste meinen kleinen Bruder. Er bekam all die Liebe die mir verwehrt wurde. Ihre beliebteste Strafe für mich war es, mich einfach über Wochen komplett zu ignorieren. Kein guten Morgen, kein Hallo, kein gemeinsames Essen, keine tröstenden Worte wenn ich weinte. Sie sagte mir , dass sie nicht sagen könne, was sie gut an mir findet und ob sie mich liebt.

Beziehungs-Hopping wurde meine Überlebensstrategie

Mit 13 wollte ich dann nur noch sterben. Aber ich habe weitergemacht und habe sogar selbst einen Termin bei einer Familienpsychologin gemacht, in der Hoffnung, dass diese mir helfen könne. Jedoch eskalierte meine Mutter bei der ersten und letzten Sitzung. Mit 13 Jahren hatte ich dann auch meine erste Beziehung zu einem 17 jährigen Jungen. Er und alle weiteren, die danach kamen, haben mich am Leben gehalten. Leider stellte sich jetzt heraus, dass dies nicht gut für mich war.

Mit 18 bin ich mit einem Jungen zusammen gekommen, von dem ich mich nach 7 Jahren trennen musste. Unsere Beziehung hatte das Gleiche Schema wie meine Beziehung zu meiner Mutter. Das hatte folgendes Ergebnis: mit 21 wurde bei mir erstmals eine Depression diagnostiziert. Diese steigerte sich immer weiter bis ich im Februar 19 in eine Klinik gehen musste, da meine Selbstzerstörung und Suizidgedanken zu stark wurden und ich meine Arbeit nicht mehr adäquat ausüben konnte.

In der Klinik gab es dann die Diagnose Borderline mit schwerer rezidivierenden Depression. Das war ein riesen Schock für mich aber der Klinikaufenthalt war die beste Entscheidung. Seitdem ich weiß, was mit mir los ist, kann ich besser damit umgehen. Ich habe viele Sachen in meinem Leben geändert. Den Kontakt zu meiner Familie abgebrochen, mich von meinem derzeitigen Partner getrennt, meine Wohnung gekündigt etc. Ja und jetzt bin ich hier und schreibe diesen Text, was definitiv auch einen therapeutischen Effekt hat.

Ich habe mich freigekämpft

Trotz meiner Störung und der damit einhergehenden chronischen Einsamkeit, Identitätsstörung, Verlustangst und dem emotionalen Schmerz, habe ich es geschafft mich von meinem giftigen Umfeld zu lösen. Ich bin zu Hause ausgezogen, habe nach dem Abi eine Ausbildung zur Erzieherin gemacht, bin dann über 300 km weit weg gezogen und habe dort Soziale Arbeit studiert und mit ach und Krach den Abschluss geschafft. Und das trotz einer starken depressiven Episode während des Schreibens meiner Abschlussarbeit.

Und jetzt? Jetzt ziehe ich allein und Single in die nächste Großstadt, in der gute Freunde von mir wohnen. Ich hätte nie gedacht, dass ich allein überleben kann, aber ich kann. Und ich freue mich auf meinen neuen Lebensabschnitt. Auch wenn es mir Angst macht, fühlt es sich besser an als alles andere zuvor.

Es gibt das gute Leben

Lasst euer Leben nicht von dem diktieren, was euch in der Vergangenheit passiert ist. Entscheidet euch für das Leben und geht neue Wege. So werdet ihr Menschen kennenlernen die wahrhaft zu euch passen. Ganz gleich ob Partner oder Freunde. Wir sind gute Menschen, es sind uns nur schlechte Dinge wiederfahren und deshalb haben wir das Glück, die Liebe und das Leben verdient.


Wenn du gerade selbst mit Angst, Depressionen oder anderen psychischen Herausforderungen kämpfst, haben wir hier einen Brief an dich geschrieben. DU kannst auch andere ermutigen, erzähle Deine Geschichte! Wir freuen uns auch riesig über deine Nachricht oder deinen Kommentar! Wenn dir der Blog gefallen hat, kannst du ihn natürlich gerne liken, teilen und uns auf Facebook und Instagram folgen @theoceaninyourmind.

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