Sanjas Geschichte

Ich bin 32 Jahre alt und studiere momentan. Aktuell setze ich mich für die Aufklärung psychischer Erkrankungen und deren Entstigmatisierung ein. Ich versuche das Beste aus meinem Leben zu machen und anderen Mut zu machen. Ich war schon immer ein sehr sensibles Kind und hatte leider eine schwierige Kindheit mit vielen Trennungserfahrungen und traumatischen Erlebnissen. In der Schule war ich dann Außenseiterin und wurde auch ziemlich viel gemobbt. Ich habe mich einfach immer anders als die anderen gefühlt, war unsicher und meine Werte waren ganz anders, als die der anderen Kinder in meinem Alter. 

Mit 14 landete ich zum 1. Mal in der Psychiatrie und begann im Anschluss meine erste Therapie. Meine Jugendzeit verbrachte ich dann mit sehr viel Alkohol, Essstörung und Selbstverletzung. Nach meinem Schulabschluss musste ich dann wieder in eine psychosomatische Klinik, weil ich ständig dissoziierte und Panikattacken bekam. Es hieß immer ich hätte halt Depressionen… Umso älter ich wurde, umso schwieriger wurde es, denn ich hatte Probleme mit anderen Menschen, brach immer wieder Sachen ab, wechselte die Jobs, fühlte mich ständig unwohl und nicht angekommen. Ich reiste dann um die Welt und kam dabei zum ersten ein wenig bei mir selbst an. Ich merkte, dass ich sehr viel Potential und Ideen hatte, dass ich das Bedürfnis hatte mehr aus meinem Leben zu machen, aber irgendwas stimmte nicht. 

Ich suchte nach der plötzlichen Erlösung

Ich dachte immer, dass eines Tages der Punkt kommen würde, wo ich alles klar hätte und endlich mein Leben so hinbekommen würde, wie andere. Ich versuchte irgendwie mitzuhalten und so „normal“ wie möglich zu sein, aber irgendetwas in mir fühlte sich immer falsch an. Obwohl es mir seit einiger Zeit besser ging und ich sehr hart an mir arbeitete und viele Jahre Therapie machte, kam ich an einem Punkt einfach nicht weiter. Ich suchte bei vielen weiteren Reisen nach dem Ort an dem ich endlich glücklich wäre, aber ich fand ihn nicht. Nach einer weiteren schwierigen Erfahrung auf Reisen, musste ich mir eingestehen, dass es die erhoffte plötzliche Erlösung nicht gab und, dass ich eigentlich ständig vor mir selbst weggelaufen war.

Ich entschied mich also nach Deutschland zurückzukehren und mir die Ruhe zu nehmen, nach der ich mich so sehnte und vor der ich so viel Angst hatte. Leider begann kurz darauf die Pandemie und ich befand mich in einer zusätzlich belastenden Situation. Ich stürzte ziemlich ab, war nur noch depressiv und komplett neben der Spur. Ich konnte nichts mehr leisten, fing wieder an mich selbst zu verletzen, hatte ständig Selbstmordgedanken und fühlte mich komplett nutzlos und allein. Ich hatte wirklich das Gefühl am Endpunkt angekommen zu sein und hatte keine Kraft mehr.

Als ich mir nach viel zu langer Zeit endlich Hilfe holte und in eine Klinik ging, kam dann schnell die Verdachtsdiagnose Borderline auf, welche dann einige Zeit später auch bestätigt wurde. Ich fiel aus allen Wolken, da ich mein halbes Leben in Therapie gewesen war und nie jemand auf diese Idee gekommen war. Gleichzeitig fiel eine riesige Last von mir ab, da ich endlich Antworten auf meine 1000 Fragen hatte. Das Gefühl von Leere und Identitätslosigkeit, das mich fast in den Wahnsinn getrieben hatte und dass ich keinem mit Worten erklären konnte, hatte endlich einen Namen. Die Stimmungsschwankungen und die starken Spannungszustände und der innere Stress wurden erklärbar. Ich machte eine DBT-Therapie und lernte sehr viel über meine Symptome von denen ich immer dachte, dass andere Menschen sie auch hätten.

Die Borderline-Diagnose hat mein ganzes Leben verändert

Ich finde es schade, dass die Erkrankung so missverstanden und stigmatisiert ist, denn Menschen mit Borderline sind einfach extrem feinfühlige Personen, die einige Male zu viel verlassen und enttäuscht wurden. Sie haben so viele positive Eigenschaften und sind unheimlich unterschiedlich, weshalb ich mittlerweile von dem Label auch nichts mehr halte. DBT-Therapie hat mir allerdings die Tools gegeben endlich wieder Kontrolle über meine Emotionen zu bekommen. All das Wissen, das ich mir über die Erkrankung (und auch weitere Erkrankungen) angeeignet habe, hilft mir mich so viel besser zu verstehen und einzuordnen was mit mir passiert, meinen Alltag nach meinen Bedürfnissen zu gestalten und endlich zu verstehen, dass ich nicht das gleiche leisten muss, wie die andere. 

Ich bin seitdem ein neuer Mensch. Ich habe gelernt meine Bedürfnisse besser zu spüren und auszudrücken, mir Hilfe zu holen, für meine „Andersartigkeit“ einzustehen und ich habe Leute an meiner Seite, die von der Erkrankung wissen und meine Eigenarten akzeptieren. Dafür bin ich unendlich dankbar. Nach 32 Jahren habe ich endlich das Gefühl eine Orientierung im Leben zu haben und mir selbst vertrauen zu können. Denn ich bin eben nicht nur dies oder das, sondern sehr viele verschiedene Dinge auf einmal. Das zu akzeptieren und anzuerkennen hat mich zu mir selbst gebracht. Der Ort von dem ich dachte, dass er super weit weg von mir ist, war die ganze Zeit in mir.


Gib‘ die Hoffnung nicht auf, irgendwann wird es besser

Ich weiß, dass es unheimlich schlimm ist in einer Krise zu stecken, in der man einfach nicht weiß wie es weitergeht und man den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht. Alles scheint schwarz, ausweglos und als wäre es schon immer so gewesen. So dunkel es um mich herum auch war: Ich habe in diesen Situationen weitergemacht, durchgehalten und versucht einen Tag nach dem anderen zu machen. Und irgendwann geht es vorbei, es wird besser. Man wächst daran. 
Ich habe sogar die Erfahrung gemacht, dass ich durch diese Hölle immer wieder gehen musste, um schlussendlich so viel loslassen zu können, dass ich danach viel glücklicher und freier war als vor der Krise. Ich weiß, dass man es nicht sehen kann, wenn man drinsteckt, aber ich will einfach alle ermutigen nicht den Glauben daran zu verlieren, dass es besser werden kann. Und es macht uns stärker und weiser und bringt uns voran.

Das Schlimmste ist, wenn man nicht die richtige Diagnose bekommt. Das hat mich fast umgebracht. Einfach dieses ständige Gefühl, dass da etwas in einem ist, dass man nicht versteht und das man nicht einordnen kann. Komplett orientierungslos in der Welt zu sein und keiner scheint einem helfen zu können. Wenn du dich so fühlst, dann ermutige ich dich dran zu bleiben. Gehe zu Ärzten, lass dich testen, bleib standhaft und lass dich nicht mit Diagnosen abwimmeln, die sich für dich nicht richtig anfühlen. Lese dich zu verschiedenen Erkrankungen ein, vernetze dich, werde Expert*In. Probiere auch mal Psychopharmaka, die können wirklich sehr helfen. Ich bin froh, dass ich so sehr für mich gekämpft habe, wie ich es in den Situationen am besten konnte und schlussendlich da abgekommen bin, wo ich jetzt stehe. Ich wünsche dir, dass du es auch kannst.

Da sind so viele andere Menschen da draußen denen es genauso geht wie dir und die dich verstehen. Finde deine Leute, finde dein Netzwerk, entwickel deinen Krisenplan und finde Tools für Notfallsituationen und dann ab ins Leben. Ich habe gelernt zu akzeptieren, dass es manchmal einfach scheiße ist und, dass es dazugehört. Manchmal ist das Leben grau und düster, manchmal hell und wunderschön und ganz viel dazwischen. Aber denk immer dran: You’re doing good! You are enough! You are NOT alone.




Wenn du gerade selbst mit Angst, Depressionen oder anderen psychischen Herausforderungen kämpfst, haben wir hier einen Brief an dich geschrieben. DU kannst auch andere ermutigen, erzähle Deine Geschichte! Wir freuen uns auch riesig über deine Nachricht oder deinen Kommentar! Wenn dir der Blog gefallen hat, kannst du ihn natürlich gerne liken, teilen und uns auf Facebook und Instagram folgen @theoceaninyoumind

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