Hallo, ich heiße Nici und bin 26 Jahre alt. Gefühlt hat es auch genauso lange gebraucht, bis ich wahrlich angefangen habe zu leben. Ich bin seit meinem 14. Lebensjahr Halbwaise und seit meinem 21. Lebensjahr Vollwaise. Schon bevor ich meine Mutter als Teenager verlor, war ich völlig auf Abwege geraden. Eigentlich war ich als Kind schon sehr kompliziert und auffällig.
Holpriger Start
Ich stamme aus schwierigen Familienverhältnissen. Alkohol und Gewalt (jeglicher Art) standen ganz oben auf der Tagesordnung; meine Mutter kam mit Epilepsie auf die Welt, was unser aller Leben extrem beeinflusste. Bis heute verfolgt mich das alles. Jedoch habe ich, dank einer guten Therapie, einen gesunden Weg gefunden um damit umzugehen. Bis zu einem gewissen Zeitpunkt, ging ich keinem Konflikt aus dem Weg.
Ich neigte zu sehr impulsivem, fast aggressivem Verhalten und behandelte viele Menschen nicht gut. Das Blatt wendete sich und ich wurde in der Schule gemobbt – dies hat mich, in Kombination mit der Situation zu Hause – dann vollends aus der Bahn geworden. Selbstverletzung, Schwänzen und Suizidgedanken.
Alles änderte sich…
Plötzlich verließ meine Mutter auf tragische und traumatische Weise meine Welt. Nun hatte ich das Jugendamt im Nacken und lebte bei meinem toxischen Halbbruder. Ich ging wieder regelmäßig zur Schule , schrieb gute Noten und das Mobbing grenzte sich auf’s Erträglichste ein.
Doch wirklich aufgearbeitet und gesprochen habe ich nie. Nur die Gedanken wurden immer düsterer, meine Emotionen immer instabiler und ich meidete zunehmend Menschen(kontakt). Zurückblickend war ich vollkommen leer. Depressiv. Komplett desillusioniert.
Liebe?
Wie es so ist, traf ich nach meinem Realabschluss auf die „erste Liebe“. Alles entwickelte sich schnell und ich haute von zu Hause ab, wo ich es auch einfach nicht mehr aushielt. Ich kehrte meiner Familie den Rücken zu. Auch meiner geliebten Oma. Zumindestens für eine gewisse Zeit.
Die Beziehung verlief wohl mehr schlecht als recht und innerhalb kürzester Zeit war ich vollkommen emotional abhängig. Diese Abhängigkeit hielt auch über unsere Beziehung hinaus an – 8 Jahre ingesamt! Ich könnte dazu hunderte Seiten schreiben. Wir trennten uns bzw. er trennte sich von mir – ich geriet wieder völlig ins Schleudern. Diese Zeit gehört mit zu der schlimmsten meines Lebens. Tagesklinik folgte. Dort wurde dann Borderline diagnostiziert. Die Klinik half mir und stabilisierte mich soweit, dass ich eine Ausbildung anfangen und beenden konnte.
Zeiten des Aufruhrs/Dankbarkeit
Zu Beginn der Ausbildung starb meine Oma an Krebs. Ich war ein Oma-Kind. Nie wieder werde ich jemanden so lieben und vermissen. Ein weiterer Teil zerbrach. Zum Ende der Ausbildung starb mein Vater. Er erlitt zwei schwere Schlaganfälle und wurde ein Pflegefall. Ich stand als einziges Familienmitglied zu ihm. Unser Verhältnis war nie das Beste und doch waren wir uns so ähnlich. Ein verdammt langer und steiniger Weg lag vor uns. Von einem Krankenhaus ins nächste. Er starb ca. 4 Monate später.
Ich machte einfach immer weiter! Ich litt und litt. Meine Seele, mein Geist waren vergiftet von bösen Gedanken und den Erfahrungen. Keine Ahnung, wie oft ich gerade so dem Suizid entkam. Ich glaube, ohne die wunderbarsten Freunde der Welt, wäre ich verloren gewesen…
Dann begann eine Endlosschleife zwischen überleben, verzweifeln aber auch wunderschönen Tagen. Irgendwann spitze sich alles zu, immer noch hing ich an meinem Ex-Freund. Was zunehmend immer schlimmer und schwieriger wurde. Ich verlor den Bezug zu meiner realen Welt und wollte einfach flüchten.
Wenn sich eine Tür schließt, öffnet sich ein Tor
Dann.. Ende 2019 ließ ich mich in eine Klinik einweisen. Ich wollte und musste weg, weg von ihm. Das war die beste Entscheidung meines Lebens. Dort habe ich angefangen zu mir und tollen Menschen zu finden und eine nie dagewesene Verbundenheit zu empfinden.
Ich erhielt eine gute Therapie und wurde auf Medikamenten eingestellt. Auch da wurde ich von meinen lieben Freunden begleitet!! Kurz vor Weihnachten 2019 kehrte ich zurück in mein Leben, das ein anderes sein sollte. Ich war anschließend noch für eine längere Zeit krankgeschrieben.
Ich suchte einen Therapeuten auf und einen Doktor, der sich gut um meine Medikamente kümmert. Ich hatte da wirklich großes Glück! Bis heute. Ich lebte für einige Monate ein ganz neues Leben. Das Jahr 2020 war das mit Abstand schönste Jahr in meinem Leben. Trotz Krisen, Flashbacks und Planlosigkeit. Doch endlich kam meine Seele etwas zur Ruhe und die Tage hellten sich auf.
Lange Rede, wichtiger Sinn
Ich hab so lange gebraucht, bis ich mir ernsthaft Hilfe gesucht habe. Fast zu lange. Das ist auch mein wichtigstes Anliegen: Bitte, bitte sucht (professionelle) Hilfe auf. Ich weiß, dass kann echt eine große Überwindung sein, besonders dann wenn man glaubt alles sei sowieso hoffnungslos.
Ich rede die Dinge nicht schön, oder möchte so tun als wäre jetzt alles Friede, Freude, Eierkuchen. Doch ich habe enorm viel Lebensqualität gefunden und vor allem Mut. Ich habe sogar wieder ein Stück Familie aufgesucht und gefunden.
Ich bin dankbar dankbar dankbar! Für alles in meinem Leben. Besonders für die besten Freunde die man überhaupt haben kann.
Von meinem Ex – Freund habe ich mich gelöst und kann das Ganze jetzt aufarbeiten, genauso wie die Traumata aus meiner Kindheit und Jugend. Angst vor Beziehungen habe ich bis heute. Seit August 2020 mache ich Abi auf dem zweiten Bildungsweg. Ich schaue zuversichtlicher in die Zukunft und hoffe das Beste.
Ich weiß, es kann eine bessere und friedlichere Zukunft für uns geben. „Manchmal braucht es zehn Jahre bis das eine Jahr der Veränderung kommt“. Und das gilt auch für Dich. Alles Gute, Nici
Wenn du gerade selbst mit Angst, Depressionen oder anderen psychischen Herausforderungen kämpfst, haben wir hier einen Brief an dich geschrieben. DU kannst auch andere ermutigen, erzähle Deine Geschichte! Wir freuen uns auch riesig über deine Nachricht oder deinen Kommentar! Wenn dir der Blog gefallen hat, kannst du ihn natürlich gerne liken, teilen und uns auf Facebook und Instagram folgen @theoceaninyourmind.