Ich bin Jessica, 21 Jahre alt und beginne in einer Woche mein duales Studium zur Physiotherapeutin. Ich bin als Einzelkind aufgewachsen und hatte eine wundervolle Kindheit. Mein Vater ist Schweizer und meine Mutter war Singhalesin (Sri Lanka). Aufgewachsen bin ich in der Schweiz.
Ich merkte früh, dass ich nicht „normal“ war
Bis ich zur Schule kam war für mich alles wundervoll und ich fühlte mich ziemlich normal. In der Schule wurde mir dann schnell bewusst, dass ich einfach anders war. Nicht so normal wie ich immer dachte (anderes Aussehen, stilles ruhiges Kind). Durch mein Aussehen und meine Art war ich ein leichtes Ziel für Mobbing, und das nicht nur von den Schülern sondern auch von Lehrern.
Ich hatte meinen Eltern nie etwas erzählt, nicht weil ich ihnen nicht vertraute, ich hatte ein wunderbares Verhältnis zu meinen Eltern, besonders zu meiner Mutter. Ich vertraute ihnen, doch ich wollte sie einfach stolz machen. Also habe ich vorgegeben gut in der Schule zu sein und dass alles in Ordnung sei. Ich hatte keine Freunde und war eigentlich immer alleine, aber das störte mich nicht.
Dann kam der Krebs in unsere Familie
Als ich neun Jahre alt und in der dritten Klasse war, erkrankte meine Mutter an Krebs. Ich verstand den Ernst der Lage nicht. Ich machte einfach weiter wie ich es gewohnt war, nur das eben regelmäßige Krankenhausaufenthalte dazu kamen. Ich begleitete meine Mutter immer. Ich hatte den Lehrern nichts davon erzählt, aus fehlendem Vertrauen und Selbstschutz. Irgendwann fanden sie es doch raus, aber es änderte nichts, ich wurde weiterhin von meinen Mitschülern gehänselt.
Meine Mutter hatte mehrere OPs und Chemos. Sie war immer stark, hat immer gelacht und ich war überall dabei. Ich habe sie in die teilweise stundenlangen Chemos begleitet, aber ich habe es immer gerne gemacht. Doch dadurch litt meine schulische Laufbahn enorm. Ich wurde immer schlechter und schlechter.
Die Krankheit zerriss uns
Mein Vater war extrem überarbeitet. Er hat versucht meine Mutter zu ersetzen und für mich da zu sein. Er ist ein großartiger Dad. Doch der Krebs war einfach nicht besiegbar. In den letzten Wochen die meine Mutter noch hatte war sie nur noch ein Körper, ihr Geist war schon lange nicht mehr auf dieser Welt. Sie wurde 50 Jahre alt. Als ich sie verlor war ich 13 und mein Vater 53.
Ich fühlte mich nicht bereit eine Ausbildung zu machen. Am liebsten wäre ich nicht mehr zur Schule gegangen um das Gegaffe nicht ertragen zu müssen. Rücksicht war fehl am Platz. Ich vermisste sie so sehr. Fiel in ein Loch. Hatte zwei Suizid-Versuche und begann mich zu ritzen. Durch das jahrelange Mobbing hatte ich schon immer ein sehr geringes Selbstbewusstsein. Mein Vater war überfordert und es war die Rede das mich das Jugendamt holen solle. Mein Dad und ich sind ein wundervolles Team und halten immer zusammen, dadurch haben wir es glücklicherweise geschafft, ohne das Jugendamt einschalten zu müssen.
Doch der Verlust ist unglaublich groß. Seit ich nach Deutschland gezogen bin um mein Abitur zu machen, lebt mein Vater alleine in dem Haus wo wir einst alle zusammen lebten. Er hat sich sehr verändert, ist ungesund dünn geworden und ist sehr einsam. Oft mache ich mir Vorwürfe, dass ich ihn allein gelassen habe. Doch ich muss meinen eigenen Weg gehen.
Ich will niemals aufgeben
Ich versuche mir mein Leben aufzubauen. Gerade erst habe ich einen 6 monatigen Sprachaufenthalt in Spanien gemacht und spreche jetzt fließend Spanisch. Ich habe mein Abitur nachgeholt und kann jetzt studieren. Seit sechs Jahren habe ich einen wundervollen Freund und in seiner liebevollen Mutter habe ich eine wunderbare Bezugsperson gefunden. Seit 5 Monaten sind wir verlobt.
Ich wünsche mir für Euch, dass Ihr niemals aufgebt. Es klingt einfach und ist ein furchtbar dummer Ratschlag. Ich habe ihn damals auch bekommen und dachte mir was soll ich jetzt damit? Doch heute verstehe ich, dass die Träume die wir haben heller sind als die Dunkelheit, in der wir gefangen zu sein scheinen. Und wenn es nur ein kleiner Traum ist, es ist es wert! Und kämpfe für dich, denn du bist es wert. Jeder von uns ist es wert ein gutes Leben zu führen.
Wenn du gerade selbst mit Angst, Depressionen oder anderen psychischen Herausforderungen kämpfst, haben wir hier einen Brief an dich geschrieben. DU kannst auch andere ermutigen, erzähle Deine Geschichte! Wir freuen uns auch riesig über deine Nachricht oder deinen Kommentar! Wenn dir der Blog gefallen hat, kannst du ihn natürlich gerne liken, teilen und uns auf Facebook und Instagram folgen @theoceaninyourmind.